Beschluss: mehrheitlich beschlossen

Abstimmung: Ja: 12, Nein: 1

Sachvortrag durch die Erste Bürgermeisterin und Herrn Härta.

Wortmeldungen: GR Berchtold, GR Moser, GR Eck, GRin Klinger, GR Brucker, GRin Köhler, GR Deschler


Beschluss:

 

1.    Der Bauausschuss nimmt Kenntnis von der Beschlussvorlage der Verwaltung (Drucksache Ö 0144) vom 11.01.2021.

 

2.    Der Bauausschuss beschließt folgende

 

S a t z u n g

über ein von der Bayerischen Bauordnung (BayBO) abweichendes Maß

der Abstandsflächentiefe

gemäß Art. 6 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Art. 81 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a BayBO

 

I. Satzungstext

 

§ 1 Geltungsbereich

 

Die Satzung gilt für das gesamte Gemeindegebiet mit Ausnahme von

a)    Gewerbegebieten

b)    Kerngebieten

c)    Sondergebieten

d)    Industriegebieten

e)    festgesetzten urbanen Gebieten

f)     dem gesamten Außenbereich nach § 35 BauGB, es sei denn, es handelt sich um Geltungsbereiche nach § 35 Abs. 6 BauGB

 

 

§ 2 Maß der Abstandsflächentiefe

 

1Abweichend von Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO beträgt die Tiefe der Abstandsfläche im Gemeindegebiet 1 H, mindestens jedoch 3 m.

 

²Vor bis zu zwei Außenwänden von nicht mehr als 16 m Länge genügen in diesen Fällen 0,5 H mindestens jedoch 3 m, wenn das Gebäude an mindestens zwei Außenwänden Satz 1 beachtet.

 

3Abweichend von Art. 6 Abs. 4 Satz 3 BayBO wird die Höhe von Dächern mit einer Neigung von mehr als 45 Grad zu einem Drittel, mit einer Neigung von mehr als 70 Grad voll der Wandhöhe hinzugerechnet. 4Die Höhe der Giebelflächen im Bereich des Dachs wird abweichend von Art. 6 Abs. 4 Satz 3 BayBO bei einer Dachneigung von mehr als 70° voll, im Übrigen zu einem Drittel angerechnet.

 

5Dabei bleiben auch untergeordnete Dachgauben bei der Bemessung der Abstandsfläche außer Betracht, wenn

1. sie insgesamt nicht mehr als ein Drittel der Breite der Außenwand des jeweiligen Gebäudes, höchstens jeweils 5 m in Anspruch nehmen und

2. ihre Ansichtsfläche jeweils nicht mehr als 4 m² beträgt und eine Höhe von nicht mehr als 2,5 m aufweist.

 

 

§ 3 Bebauungspläne

 

1In Bebauungsplänen festgesetzte, abweichende Abstandsflächen bleiben unberührt. ²Ordnen Bebauungspläne, die vor dem 1.2.2021 in Kraft getreten sind, die Geltung der Abstandsflächenvorschriften an, gilt auch für diese § 2 Sätze 1 bis 5.

 

 

§ 4 Inkrafttreten

 

Die Satzung tritt am 01.02.2021 in Kraft.

 

 

 

II. Begründung

 

Teil A  Aufbau und Zweck der Satzung

 

Die Gemeinde Gauting nimmt die vom Gesetzgeber bereitgestellte Grundlage nach Art. 6 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Art. 81 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a BayBO in Anspruch, um ein abweichendes Maß der Abstandsflächentiefe zu regeln. Die Regelung des Art. 81 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a BayBO enthält ausweislich der Gesetzesbegründung (Drucksache 18/8547) eine umfassende, an die Gemeinden gerichtete Ermächtigung, das Abstandsflächenrecht abweichend von der gesetzlichen Regelung zu gestalten. Das sich ergebende Maß wird in Art. 6 Abs. 4 Satz 5 BayBO definiert und ist das Ergebnis der Tiefe der Abstandsfläche und der Hinzurechnung der Höhe von Dächern sowie der Dachgauben, die nicht Satz 5 entsprechen.

 

Dieses Maß der Abstandsflächentiefe wird wie folgt abweichend von Art. 6 Abs. 4 Satz 3 und Abs. 5 Satz 1 BayBO für den in § 1 definierten Geltungsbereich der Satzung geregelt.

 

1.    Allgemein zu §§ 1 und 2

In der Zusammenschau wird mit dieser Satzung das bisherige Abstands-flächenrecht für den Geltungsbereich der Satzung beibehalten.

 

2.    Zu § 1

§ 1 Buchst. a bis f bezeichnet jene Gebiete, die nicht Teil dieser Satzung sind und innerhalb derer das Abstandsflächenrecht nach Art. 6 Abs. 4 und 5 BayBO unverändert Anwendung findet.

 

3.    Zu § 2 Sätze 1 und 2

Satz 1 regelt die Tiefe der Abstandsflächen von 1 H. Um ein abweichendes Maß  der Abstandsflächentiefe H  entsprechend der Ermächtigungsgrundlage nach Art. 6 Abs. 5 Satz 3 i.V.m. Art. 81 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a BayBO festsetzen zu können, ist es zwingend, das sog. „16m-Privileg“ zuzulassen. Ohne diese Regelung würde schon ab einer Abstandsflächentiefe von 0,5 H eine Verschärfung des bisherigen Rechts an den „Schmalseiten“ nach Art. 6 Abs. 6 BayBO a. F. bei Gebäuden mit einer Dachneigung von bis zu 45 Grad eintreten. Eine Verschärfung des bisherigen Rechts ist nicht beabsichtigt. Damit verbliebe ohne § 2 Satz 2 lediglich die Abstandsflächentiefe nach Art. 6 Abs. 5 BayBO von 0,4 H (ohne die praxisferne Betrachtung von Hundertstel-Stellen). Die Anordnung des § 2 Satz 2 ist daher Voraussetzung für eine Satzung nach Art. 81 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a BayBO, deren Erlass der Gesetzgeber für Teile des Gemeindegebiets oder das ganze Gemeindegebiet in das gemeindliche Ermessen gestellt hat.

 

4.    Zu § 2 Sätze 3 und 4

Das Maß der Abstandsflächentiefe ergibt sich aus der Tiefe der Abstandsfläche, das in dieser Satzung mit 1 H angeordnet wird, der Höhe von Dächern und Giebelflächen sowie von Dachgauben, die nicht Satz 5 entsprechen, und der Möglichkeit, an zwei Außenwänden von nicht mehr als 16m Länge 0,5 H im Sinne von § 2 Satz 2 anzusetzen. Die Hinzurechnung der Höhe der Dächer und Giebelflächen und Dachgauben, die nicht Satz 5 entsprechen, wird nach § 2 Sätze 3, 4 und 5 abweichend von Art. 6 Abs. 4 Satz 3 BayBO angeordnet. Ohne diese Regelung könnte, auch unter Anwendung von § 2 Satz 2, die Abstandsflächentiefe von 1 H nicht angeordnet werden, da die Folge eine Verschärfung des bisherigen Rechts, die unter Punkt 1 beschrieben ist, auf den „Schmalseiten“ mit einer Abstandsflächentiefe von 0,5 H gleichermaßen eintreten würde. Das heißt, um die Grundlage nach Art. 81 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a BayBO „eine Erhöhung auf bis zu 1,0 H“ ausschöpfen zu können, ist es notwendig, § 2 Satz 2 in Kombination mit § 2 Sätze 3, 4 und 5 anzuordnen.

 

5.    Zu § 2 Sätze 2, 3, 4 und 5

Satz 2 (16 m-Privileg), 3 und 4 (Anrechnung der Dach- und Giebelflächen) sowie Satz 5 (Nichtanrechnung von untergeordneten Gauben) stellen jeweils ein Bemessungskriterium für das sich ergebende Maß der Abstandsflächentiefe dar. Als Ergebnis der Anwendung dieser Regelungen steht für jede Seite eines Gebäudes ein Maß „H“. Sie verändern durch eine Berechnung der angeordneten Tiefe der Abstandsfläche das sich ergebende Gesamtmaß der einzuhaltenden Abstände und sind daher in ihren Anwendungsmöglichkeiten in einer Satzung nach Art. 81 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a  BayBO gleichrangig zu sehen. Im Zusammenwirken mit der Tatsache, dass ohne die Anwendung des § 2 Satz 2 ein abweichendes Maß der in Art. 6 Abs. 5  Satz 1 BayBO geregelten Abstandsflächentiefe von 0,4 H ohne eine Verschärfung des bisherigen Rechts nicht möglich ist, folgt, um den Rahmen nach Art. 81 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a BayBO ausschöpfen zu können, die zusätzliche Anordnung der Berechnung nach den Sätzen 3, 4 und 5. Ohne die Sätze 3, 4 und 5 wäre eine Anordnung von 1 H ohne die unerwünschten Folgen, dass bestehenden Gebäuden und Verlängerungen von Baugenehmigungen oder Vorbescheiden genehmigungsrechtliche Hindernisse entgegenstünden, nicht möglich. Die in Satz 5 geregelte Nichtanrechnung der untergeordneten Gauben bedeutet die Beibehaltung des bisherigen Rechts und eine (weitere) geringfügige Veränderung des Maßes H nur in jenen Fällen, in denen die Gauben eine Größe erlangen, die das untergeordnete Maß übersteigen.

 

 

 

Teil B  Planungsziele

 

Art. 81 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a BayBO eröffnet Gemeinden die Möglichkeit, das Abstandsflächenrecht abweichend von der gesetzlichen Regelung zu gestalten, wenn dies die Erhaltung des Ortsbildes im Gemeindegebiet oder in Teilen des Gemeindegebiets bezweckt oder der Verbesserung und Erhaltung der Wohnqualität dient. Die Satzung trägt der Tatsache Rechnung, dass in der Gemeinde Gauting ein Bedürfnis besteht, die Nachverdichtung einerseits zu ermöglichen, andererseits aus ortsgestalterischen Gründen und der Wohnqualität den vorhandenen Bestand zu erhalten.

 

In der Gemeinde Gauting sind nicht überplante Baugebiete und Gebiete, die nach § 35 Abs. 6 BauGB zu beurteilen sind, vorhanden, in denen die Steuerung der Gebäudeabstände zueinander ausschließlich oder vorwiegend über das bauordnungsrechtliche Abstandsflächenrecht erfolgt. Die Gemeinde Gauting mit ihren Ortsteilen Buchendorf, Hausen, Königswiesen, Oberbrunn, Stockdorf und Unterbrunn ist von einem übermäßig starken Siedlungsdruck geprägt. Die Ziele „Erhaltung des Ortsbildes, des traditionellen Siedlungscharakters und der Wohnqualität“ wären ohne diese Satzung in der Gemeinde nachhaltig gefährdet.

 

Aus Umsicht für Gebiete, in denen ein besonders hoher Siedlungsdruck herrscht und dadurch ein stark verkürztes Abstandsflächenrecht zu Auswirkungen führen würde, die den gennannten Zielen entgegenstehen würden,  hat der Gesetzgeber nach Art. 6 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Art. 81 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a BayBO eine umfassende, an die Gemeinden gerichtete, Satzungsermächtigung  aufgenommen.

 

Nach der Rechtsprechung beschränkt sich die Regelungskompetenz des Bauordnungsrechts bei der abweichenden Bestimmung von Abstandsflächen auf im weiteren Sinne sicherheitsrechtliche Zielsetzungen. Abstandsflächen können zur Sicherstellung einer ausreichenden Belichtung, Belüftung und Besonnung der Baugrundstücke, zur Sicherstellung von Flächen für Nebenanlagen, zur Herstellung des Wohnfriedens abweichend von den gesetzlichen Bestimmungen geregelt werden. In Bezug auf das Ortsbild sind nur gebäudebezogene Regelungen zulässig, die sich mittelbar auf die Gestaltung des Ortsbildes auswirken.

 

Vorstehende Satzung wird im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage maßgeblich zur Verbesserung und Erhaltung der Wohnqualität und des Wohnfriedens erlassen. Im Gemeindegebiet sind nach wie vor viele Bereiche nicht überplant und beurteilen sich planungsrechtlich nach § 34 BauGB. Darüber hinaus sind in Bebauungsplänen zum Teil großzügige Baugrenzen mit der Maßgabe der Anordnung des (alten) Abstandsflächenrechts festgelegt. In diesen Bereichen wird der Abstand von Baukörpern zueinander im Wesentlichen durch das Abstandsflächenrecht geregelt. Der hohe Siedlungsdruck im Gemeindegebiet und die immer weiter steigenden Grundstückspreise werden daher dazu führen, dass die Mindestmaße der gesetzlich festgelegten Abstandsflächen weitestgehend ausgenutzt werden. Ohne eine auf die Gemeindesituation angepasste Festsetzung des Maßes der Abstandsflächentiefe würde sich die Wohnqualität im Gemeindegebiet nachteilig ändern. Eine ansonsten, über verkürzte Abstände erwirkte, Nachverdichtung wird nach Auffassung der Gemeinde auch nachteilige Auswirkungen auf den Wohnfrieden haben.

 

Die Wohnqualität ist im Gemeindegebiet Gauting in vielen Bereichen durch größere Abstände zwischen den Gebäuden geprägt. Gerade im Gemeindegebiet werden Wohnformen angeboten, die im urbanen Raum nicht bzw. nur noch selten anzutreffen sind. Das Wohnen ist geprägt bzw. der Wohnfrieden ist sichergestellt durch die Abstände zu den Nachbarn. Freibereiche um die Gebäude stellen insoweit einen wesentlichen Bestandteil der Wohnqualität dar, insbesondere auch für Kinder. Die Gemeinde Gauting möchte mit dieser Satzung die Wohnqualität, die durch größeren Abstand zwischen den Gebäuden geprägt ist, erhalten und gegebenenfalls im Rahmen der Neubebauung von Grundstücken verbessern. Dies führt auch zu einer Verbesserung von Belichtung und Belüftung und Besonnung der Baugrundstücke und somit zum Erhalt und der Weiterentwicklung des Wohnfriedens, der auch die beiden Kriterien „Schutz der Privatsphäre vor unerwünschten Einblickmöglichkeiten“ und „Mithören sozialer Lebensäußerungen in der Nachbarschaft“ (BayVGH Urteil v. 3.12.2014, Az 1 B 14.819) umfasst.

 

Der Gesetzgeber hat mit der Neuregelung der Tiefe der Abstandsflächen in Art. 6 Abs. 5 BayBO die Untergrenze des zulässigen Gebäudeabstands festgelegt. Die Gemeinde Gauting möchte für ihr Gemeindegebiet, ausgenommen der in § 1 Buchst. a bis f gelisteten Bereiche, höhere Standards, als vom Gesetzgeber nach Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO vorgesehen, festlegen.

 

Gleichzeitig werden über größere Abstände auch notwendige Flächen für Kinderspielbereiche und für Nebenanlagen gesichert. Der Bedarf an Flächen zur Unterbringung von Gartengeräten, Spielgeräten für Kinder, Fahrrädern und natürlich von Kfz ist erfahrungsgemäß in der Gemeinde Gauting groß und jedenfalls auch größer als in der Stadt. Durch die Vergrößerung der Abstandsflächen wird auch insoweit ausreichend Raum auf den Baugrundstücken gesichert.

 

Die Satzung trägt der Tatsache Rechnung, dass in der Gemeinde Gauting ein Bedürfnis besteht, die Nachverdichtung einerseits zu ermöglichen, andererseits aus ortsgestalterischen Gründen den vorhandenen Bestand zu erhalten. In der Gemeinde Gauting sind traditionell nicht überplante Baugebiete vorhanden, in denen die Steuerung der Gebäudeabstände zueinander ausschließlich über das bauordnungsrechtliche Abstandsflächenrecht erfolgt. So wird sichergestellt, dass das Gemeindegebiet sich unter Beachtung des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB maßvoll weiterentwickeln kann.

 

Da nach dem neuen Recht deutlich kürzere Abstände in Kombination einer fehlenden Längenbegrenzung und Seitenanzahlbegrenzung im Sinne des Art. 6 Abs. 6 BayBO alt somit in der Summe eine Verdichtung, die das Ortsbild und den Wohnfrieden gefährden würden, geregelt sind, entstünden Gebäudeengstellungen, die den von der Gemeinde verfolgten Zielen der Erhaltung des Ortsbildes und der Wohnqualität widersprächen. Der Gesetzgeber hat daher schon vorsorglich solche Gebiete nach Art. 6 Abs. 5a BayBO neu herausgenommen, bei denen aufgrund des hohen Siedlungsdrucks zu erwarten ist, dass Gebäudeengstellungen, die den Zielen, Erhalt des Ortsbildes und des Wohnfriedens (siehe Gesetzesbegründung zu Art. 6 Abs. 5a BayBO neu) widersprechen,  entstünden. Der übermäßige Siedlungsdruck und damit verbundene Bauweisen, die weder das Ortsbild noch den Wohnfrieden berücksichtigen, waren Ausschlag für die Sonderregelungen für größere Städte (der Gesetzgeber geht zurecht davon aus, dass in Gebieten jenseits des außergewöhnlich hohen Siedlungsdrucks negative Auswirkungen weniger zu erwarten sind, da überschaubare Bodenpreise und weniger leicht verkäufliche oder vermietbare Objekte von allein zu größeren als den gesetzlich vorgeschriebenen Gebäudeabständen führten oder führen werden). Das heißt, das neue Abstandsflächenrecht entfaltet seine Wirkung nur in den (wenigen) Regionen der umliegenden Verdichtungsräume der Großstädte.

Die gleiche Situation wie in großen Städten gilt für die Gemeinden des Landkreises Starnberg (die Nähe zur Landeshauptstadt und die sehr gute ÖPNV- und MIV-Anbindung sowie die hochqualitative Wohnumgebung sind der Grund, weshalb sich die Thematik nicht anders als in München darstellt).

 

Aus den genannten Gründen entscheidet sich die Gemeinde Gauting, den in Art. 81 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a BayBO eröffneten Rahmen von 1 H auszuschöpfen. Um in diesem Zuge keine Verschärfung der bisherigen Abstandsflächenvorschriften zu generieren, sind die in § 2 aufgenommenen Sätze 2 bis 5 jeweils unabdingbar.

 

Die Geltung der Satzung bezieht sich auf Gebiete, in denen eine Wohnnutzung von bestimmtem Gewicht zulässig ist. Sie sichert damit grundsätzlich für Wohnnutzungen eine ausreichende Wohnqualität. Daher hat die Satzung in § 1 Gebiete ausgenommen, in denen mit keiner oder mit untergeordneter Wohnnutzung zu rechnen ist. In Gewerbe-, Kern-, und Industriegebieten findet sich in der Regel nur ein auf spezielle, teilweise eingeschränkte Wohnformen festgelegter Nutzerkreis, dessen Anspruch auf Wohnqualität im Lichte der Gebietskategorie zu sehen ist. Diese Wohnnutzungen unterscheiden sich grundlegend von den sonstigen Wohnnutzungen. In Sondergebieten und in festgesetzten urbanen Gebieten richten sich die Abstände nach der Nutzung oder dem planerischen Willen der Gemeinde. Die gesetzliche Regelung der Tiefe der Abstandsflächen (Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO) und das sich aus Art. 6 Abs. 4 BayBO ergebende Maß (Art. 6 Abs. 4 Satz 5 BayBO) soll in diesen Gebieten, sofern keine weitergehenden Regelungen in den hierfür vorgesehenen Bebauungsplänen gefasst wurden, gelten. Im gesamten Außenbereich finden sich andere Voraussetzungen bezüglich der Wohnqualität und des Wohnfriedens als im Innenbereich. Die in der Regel nachbarschaftslose oder nachbarschaftsreduzierte Form des Wohnens mit regelmäßig großzügigen angrenzenden Freibereichen bedarf keiner größeren Abstände. Ausgenommen hiervon sind Satzungen nach § 35 Abs. 6 BauGB, deren Verdichtung nach Innen vorwiegend über das Abstandsflächenrecht gesteuert wird. Somit werden die Geltungsbereiche der Satzungen „Satzung nach § 35 Abs. 6 BauGB für den Ortsteil Stockdorf“ und „Satzung nach § 35 Abs. 6 für den Ortsteil Gauting“ vergleichbar mit dem Geltungsbereich dieser Satzung behandelt.

 

Die Gemeinde Gauting bezieht in ihre Überlegungen durchaus ein, dass der Gesetzgeber mit der Abstandsflächenverkürzung eine Innenverdichtung und eine Verringerung der Inanspruchnahme von neuen Außenbereichsflächen beabsichtigt. Die Gemeinde hält aber die Erhaltung und Verbesserung der Wohnqualität in ihrem Gemeindegebiet für vorrangig. Dem Gebot der Innenverdichtung kann auch durch ein höheres Maß baulicher Nutzung nachgekommen werden, etwa durch höhere Gebäude, welche die Abstandsflächen einhalten. Dies wird die Gemeinde in ihren Planungen berücksichtigen, wie die bewusste nach städtebaulichen Kriterien beabsichtigte Verkürzung der Gebäudeabstände in bestimmten Bebauungsplangebieten. In Bezug auf das Maß der Regelung der Abstandsflächentiefen hat sich die Gemeinde im Wesentlichen am bisherigen Abstandsflächenrecht orientiert, da dieses nach ihrer Auffassung eine ausreichende Wohnqualität sicherte. Ihr ist dabei bewusst, dass in Bezug auf die Berechnung der Abstandsflächentiefen Änderungen bezüglich der Anrechnung der Dachgauben eingeführt werden und es daher nicht zur identischen Fortgeltung des bisherigen Abstandsflächenrechts insgesamt kommt.

 

In Bezug auf den Geltungsbereich hat sich die Gemeinde dazu entschieden, die abweichenden Abstandsflächen im gesamten Gemeindegebiet, ausgenommen der in § 1 Buchst. a bis f genannten Bereiche, anzuordnen. Die Gemeinde hat sich im Vorfeld des Erlasses dieser Satzung mit der im Gemeindegebiet bestehenden Baustruktur befasst. Zwar gibt es im Gemeindegebiet unterschiedliche Siedlungsstrukturen und Bauweisen. Das vorrangige Ziel einer Erhaltung und Verbesserung der Wohnqualität soll generell im Geltungsbereich dieser Satzung verfolgt werden und damit auch Grundlage der Abstandsflächenbemessung sein. Daher richtet sich der Bereich, der in dieser Satzung geregelt werden soll, nicht nach Siedlungsstrukturen und Bauweisen, sondern nach den Wohnnutzungen und nach dem Ziel, eine ausreichende Wohnqualität und die Sicherstellung des Wohnfriedens für diese Wohnbereiche zu erreichen.

 

Die Gemeinde ist sich auch bewusst, dass die Beibehaltung der Abstandsflächen gegenüber der gleichzeitig in Kraft tretenden gesetzlichen Verkürzung derselben Auswirkungen auf die bauliche Ausnutzbarkeit von Grundstücken haben kann und damit auch Eigentümerinteressen nachteilig betroffen werden können. Die Aufrechterhaltung einer ausreichenden Wohnqualität im Gemeindegebiet rechtfertigt indes mögliche Eigentumseinschränkungen.

 

Rein vorsorglich ist § 3 Satz 2 aufgenommen worden. Es ist derzeit davon auszugehen, dass die Festsetzung der Abstandsflächen (abweichend des Art. 6 Abs. 5 Satz 3 a. F.) in Bebauungsplänen, die vor dem 01.02.2021 in Kraft getreten sind, stets einen Rückgriff auf die zur 1. öffentlichen Auslegung der Bebauungspläne geltenden, gesetzlichen Abstandsflächenvorschriften bedingen. Das beschließende Gremium der Gemeinde hat im Lichte der zu diesem Zeitpunkt geltenden Regelung die betreffenden Bebauungspläne gebilligt. Eine dynamische Verweisung auf die seit 01.02.2021 geltende BayBO würde den Planungswillen der Gemeinde eventuell unterlaufen. Sollte sich jedoch die Auffassung, dass ein Verweis im Bebauungsplan auf die BayBO ohne die Angabe ihres Fassungsdatums bzw. ohne eine diesbezügliche Ausführung in der Begründung eine Anwendung der BayBO zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung bedingt, durchsetzen, greift § 3 Satz 2. Nur aufgrund dieser Überlegungen soll diese Satzung auch für Bebauungspläne gelten, die vor dem 01.02.2021 die Geltung der Abstandsflächenvorschriften unabhängig von Art. 6 Abs. 5 Satz 3 BayBO a. F. festsetzten. Die am 01.02.2021 durch Änderung der Bayerischen Bauordnung in Kraft tretende Abstandsflächenverkürzung soll für diese Bebauungspläne nicht zum Tragen kommen. Für Bebauungspläne, die selbst eigene Abstandsflächentiefen festsetzen, bleibt es bei diesen Festsetzungen.